OPA UND ICH

Opa und ich-
sitzen in einem Raum
'ein Raum' sagt er 'ist erst richtig voll wenn jemand in ihm lebt'

Während ich neben ihm sitze denke ich über diesen Satz nach
und ich denke an die Zeit als ich noch ein Kind war

Ich war einmal ein Kind von nicht ganz einem Tag
als Papa bei meinem Großeltern anrief und sagte
'Ihr seid jetzt Oma und Opa, wir haben eine kleine Katharina'
und man legte mich meinem Opa in den Arm.

Und Opa ist für mich all das.
Opa ist immer auch Oma,
ist immer auch Geschichten erzählen
und immer auch Könige und Helden in meinen Geschichten sein.

Jetzt wo ich hier so neben meinem Opa sitze, sehe ich, dass er ziemlich deutlich alt geworden ist.
Und ich erinnere mich daran als ich fünf war.

Ich war einmal ein Kind von fünf Jahren
Als ich Ostern mit meiner Familie bei Oma und Opa feierte
ich, bekam ein nagelneues blaues Fahrrad und mein Bruder einen Schokoladenhasen
Natürlich fand ich das ungerecht und jedes Jahr an Ostern darf ich mir diese Geschichte von neuem anhören

Opa hat seine Augen schon die ganze Zeit geschlossen.
Ich habe das Gefühl,
dass ich sehen kann, wie er in den letzten Minuten schon wieder etwas älter geworden ist.

Und ich war einmal ein Kind.
Ich war einmal ein Kind von 7 Jahren,
als ich bei Oma und Opa schlief und Opas Büro verwüstete.
Ich Räumte Regale aus, Verstellte das Zahlenschloss an Opas altem Lederkoffer
und bemalte seinen Terminkalender.
Und ich bekam wirklich ärger.

Opa heiß immer auch Kindheit, nochmal ganz klein sein.
Opa heißt immer auch lange Spaziergänge zur Fürstenbergkapelle
und unmengen an gesammelten Briefen und Fotos und Büchern
und generell
Opa heißt immer auch sammeln und aufheben und verwahren

und jetzt, wo ich hier so neben meinem Opa sitze, seine Hand halte und ihn betrachte, frage ich mich, wie gut ich ihn eigentlich kenne.
Weil-
mein Opa war für mich immer nur mein Opa
und ich habe lange nicht darüber nachgedacht,
dass ein Opa nicht immer ein Opa gewesen ist.

Und Opa ist nichtnur Opa, er ist Vater, ist Ehemann, ist geliebter und liebender. Er ist freund, Kollege und Vertrauter.

Und ich war einmal ein Kind.
Ich war einmal ein Kind von 8 Jahren, als Opa begann mir seine Geschichten aus dem Krieg zu erzählen. Und ich wollte immer immer mehr erfahren, und Opa erzählte mir immer immer mehr.

Und Opa heißt für mich all das.
Geschichten von früher, vom Krieg, vom Sommer und vom Leben

Und ich war einmal ein Kind von 9 Jahren,
als Oma, Opa und ich ein geheimes Ritual hatten.
Nachdem wir in der Kirche waren gab es immer ein riesiges Eis,
so groß dass ich es garnicht alleine aufbekam, und ein Eis, von dem Mama nichts wissen durfte.

Und jetzt schaue Ich ihn an, und erinner mich an eine Passage aus einem Gedicht, sie lautet so:

'Ich bin 9 Jahre alt
Und für mich ist selbstverständlich
du bist immer da und Zeit ist unendlich'

Aber Ich bin keine 9 Jahre mehr alt.
Ich bin 18 Jahre alt.
Und leider ist mir in den Jahren dazwischen klargeworden, dass unsere Zeit nicht unendlich ist.

Und Opa heißt für mich all das.
Nocheinmal ganz klein sein, Gedichte zusammen lernen,

und ich war einmal ein Kind.
Ich war einmal ein Kind von 13 Jahren,
als ich merkte, dass Neheim für mich nicht ohne Opa funktioniert.
Und Opa auch nicht ohne Neheim.

Und Opa, heißt für mich all das.
Opa heißt für mich Politik und Religion und Hemden mit Bunten Karomustern und lange, dunkle Parker für die Kirche.
Opa ist immer auch Neheim, ist immer auch Zuhause und immer auch Urlaub.

Und ich schaue ihn an, wie er in diesem Raum liegt,
wie ich seine Hand halte und ich erinnere mich daran,
wie ich auch früher immer seine Hand halten sollte.

Und ich war einmal ein Kind.
Ich war einmal ein Kind von 15 Jahren,
als ich bei meinem Opa im Wohnzimmer stand und mich dafür rechtfertigen musste dass ich jetzt Absatzschuhe trage.
'sie wird eben eine kleine Dame, unsere Katharina'
hat Oma damals gesagt.
Dann sind wir in die Stadt gegangen und ich habe ein neues paar Stiefel bekommen.
Ohne Absätze.

Noch im selben Jahr zu Weihnachten wurde mir von Oma und Opa eine Reise nach Israel geschenkt. Und nachdem die Bescherung zu Ende war, steckte mir mein Opa einen Brief zu, in dem er schrieb, dass sein Freund aus der ersten Klasse ein Jude war und er erzählte mir seine Geschichte.
Und er wollte Unbedingt, dass ich dies meinen Israelischen freunden erkläre und ihnen sage, dass mein Opa kein schlechter Mensch war.
Und mein Opa weinte.
Und er weinte und er weinte und er war kein schlechter Mensch.

Und Opa ist immer auch lautes atmen,
Frühstück am Sonntag um halb 8 und Hosen ohne löcher tragen. Weil Opa mag das so.
und Opa mag auch wenn ich meine haare zu einem Zopf flechte.

Und ich war einmal ein Kind
Ich war einmal ein Kind von 17 Jahren als ich nach Kanada ging und mich von meinem Opa verabschiedete, in dem Glauben ihn das letzte mal sehen zu können. Und wir weinten und wir weinten.

Opa bedeutet für mich,
Reisen nach Schottland und Bulgarien und in den Odenwald und eigentlich um die ganze Welt
Opa bedeutet Reisen Reisen Reisen.
Und das hat opa auch immer gesagt.
'Mädchen, mach was aus deinem Leben.'
'Mädchen geh reisen, such dir nen gescheiten Mann'
'Mädchen du schaffst das.'

Opa bedeutet,
frisches Marktgemüse und Blumen für Oma.
Opa heißt, extra Schokolade beim Nachtisch für mich.
Opa heißt allgemein eine Stütze zu sein, ein Unterstützer,
ein liebenswerter Schusselkopf.

Und jetzt bin ich 18 Jahre alt und eigentlich Kein Kind mehr
Aber ich bleibe immer Opas liebes Mädchen
Opas kleine Katharina
und meine Welt als Kind war auch Opas Welt.

Opa heißt für mich halt eben nicht 86 Jahre und Falten im Gesicht.
Opa ist Opa und das ist mein Ursprung.
Mein vertrauen
meine quelle
und mein Schatz

mein Mund der formt sein lachen
mein Herz das schlägt seinen Takt

Und ich sitze immer noch in diesem Raum mit meinem Opa, und denke daran was er kurz zuvor gesagt hat.
'Ein Raum' sagte er, 'ist erst richtig voll, wenn jemand in ihm lebt'
und 'ein Raum' denke ich 'ist erst richtig leer, wenn jemand ihn verlassen hat.'


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